Weida, weida, weida….
Patina oder wat?
Die wichtigsten ersten Schritte beim Restaurieren habe ich in der letzten Folge ja bereits beschrieben, heute jedoch möchte ich noch einmal einen Schritt zurückgehen, denn ich denke, dass es etwas sehr Fundamentales gibt, über das sich jeder, der vorhat ein Mopped oder ähnliches zu restaurieren, im Klaren sein sollte. Wenn möglich sogar VOR dem Beginn der Restauration. Bei mir hat es sehr lange gedauert, bis ich mir darüber im Klaren war, welche Art der Restaurierung mir am Besten gefällt: vollkommener Neuaufbau oder Erhaltung der Patina? Klingt einfach, isses aber ganz und gar nicht. Wieso? Na, weil die Herangehensweise je nach Entscheidung eine vollkommen andere ist. Ich hab schon beide Möglichkeiten hinter mir, jedoch habe ich für mich festgestellt, dass ich eine gewisse Patina, sozusagen den optischen, zeittypischen Zustand, die Aufkleber, Beulen, Kratzer, Krickeleien, mag. Ein Kind der 70er sieht in meinen Augen erst richtig seventies-mäßig aus, wenn es genau diese Features besitzt und diese Besonderheiten in Form von witzigen, oder auch zu jener Zeit ernsten, Aufklebern und Statements unangetastet bleiben.
Nicht umsonst ist der Aufkleber “Atomkraft – nein Danke!” wieder auf immer mehr neuen Fahrzeugen zu sehen. In den 70ern und 80ern jedoch, war das, im Gegensatz zu heute, eine echte politische Aussage und konnte zu regen Diskussionen führen, währenddessen sich immer mehr Menschen in der Gegenwart, “dank” der Katastrophen von Tschernobyl und Fukushima, der Gefahren dieser Technik bewusst sind. Nicht falsch verstehen, ich bin kein Technik-Negativist, aber dass die friedliche und nichtfriedliche Nutzung der Atomkraft, bzw. der Spaltung von Atomen, sehr risikoreich ist und im Falle eines Versagens aller redundanten Systeme zu Katastrophen von unglaublichen Ausmaßen führt, habe ich schon als Kind mit 12 Jahren begriffen. Mussten dennoch so viele Menschen sterben, damit ein Bewußtsein dafür geschaffen werden konnte? Ich weiß noch, wie meine Mutter, eine Frau mit einem sehr ausgeprägten Hang zum Opportunismus (den ich auch an mir immer wieder entdecke und mich furchtbar darüber aufrege, weil es das Schlechteste ist, das ich von all den schlechten Eigenschaften meiner Eltern übernommen habe. Aber ich glaube, es konnte gar nicht anders, als so, kommen, da meine Erzeuger diesen überdurchschnittlichen Hang zum unterdurchschnittlichen Nachplappern und Ja-Sagen besitzen – im Falle meines Vaters besaßen – meine Mutter sagte also beim Anblick des gelb-roten politischen Statements gegen die Gefahren der friedlichen Nutzung der Atomkraft, herablassend, dass die Besitzer des Autos, auf dem dieses Stück glasklarer Meinung auf gar nicht klaren Scheiben klebte, sicherlich trotz Atomkraft fernsehen und elektrisches Licht nutzen. Naja, das beschreibt wohl relativ klar, wie meine Mutter es verstand mit einem einzigen Satz eine politische, dazu noch richtige Meinung zunichte zu machen. Ohne eine Begründung, ohne nachzudenken, einfach nur das Stammtischgemaule nachgeplappert. Und als Kind denkt man tatsächlich, dass sich die Erwachsenen Gedanken machen, bevor sie etwas sagen. Falsch gedacht.
Entgegen vieler anderer Restaurateure mag ich jedoch solche Patina, diese Art der Aufkleber, oder auch Kratzer und Riefen in alten Tanks. Technisch werden meine Motorräder immer überholt und von hinten bis vorne durchgesehen. Ich habe auch wirklich nichts gegen Umbauten auf technische Neuerungen, zum Beispiel von Trommel- auf Scheibenbremse. Wobei ich ganz ehrlich sein muss: eine Scheibenbremse aus den 70ern hat nicht unbedingt eine bessere Wirkung als eine gut eingestellte, nicht glasig gebremste Trommelbremse. Wenn ich mir die Bremswirkung meiner Yamaha RS 100 ansehe, so muss ich tatsächlich feststellen, dass es schon einen Sinn hat, warum das Dingen nur 100 km/h schnell oder besser langsam ist: die bremst so gut wie gar nicht! Einmal bin ich damit über eine rote Ampel gefahren und wurde prompt von der Polizei angehalten. Ich bekam einen Punkt in Flensburg und eine Strafe von 80 Euro, denn alle Argumente bezüglich der Bremswirkung meiner alten Yamaha in Zusammenhang mit der nassen Fahrbahn, zeigten kaum Wirkung, denn das Argument der Polizistin, die übrigens ungewöhnlich jung und hübsch war (wobei mir die Hübschheit weniger suspekt vorkam als ihr Alter!), war irgendwie doch überzeugend: wenn das Mopped schlecht bremst, dann müssen Sie halt noch überlegter fahren! Okay…wo sie Recht hat, hat sie Recht! Und so tuckere ich mit meiner Yamaha RS 100, Baujahr 1980, mittlerweile noch langsamer und sehr vorausschauend durch die Gegend. Ich könnte jetzt auch wirklich nicht sagen, dass es weniger Spaß macht, immerhin ist es stressfreier, da mir das mit der roten Ampel nicht mehr passiert.
Also: am Besten ist es, man macht sich vorher schon Gedanken, in welche Richtung die Reise der Restauration gehen soll, dann vermeidet man es, hinterher noch einmal alles auseinanderbauen zu müssen, weil man sich entschieden hat, doch alles clean zu machen, den Rahmen lackieren oder pulvern zu lassen, etc. A propos Rahmen lackieren: ich konserviere meine Rahmen ja immer von innen mit Mike Sanders Korrosionsschutzfett. Das ist zwar wirklich eine Sauerei und viel Arbeit, aber es lohnt sich. Ihr kennt doch sicherlich noch den alten Golf 2, dem immer an der Heckklappe, die Suppe aus den Löchern lief. Rost von innen war da jedenfalls nie ein Problem. Ich lege meine Rahmen, nachdem ich sie unter Einsatz meines Lebens und vor allem unter Einsatz der richtigen Verarbeitungstemperatur und den dazu notwendigen Werkzeugen wie Heizplatte und Heißluftföhn versiegelt habe, auf den Dachboden meiner Scheune, wo im Sommer immer sagenhafte Temperaturen herrschen. Dann drehe ich die Dinger zweimal am Tag um und das Zeug drückt sich in alle Ecken und Kanten. Und wenn Ihr keine Scheune habt, tut es auch der Heißluftföhn. Oder einfach der Sommer! Es reicht, wenn Ihr die Rahmen in die Sonne legt, wartet bis sie sich aufgeheizt haben und sie dann mehrfach dreht…warten und nur ab und an etwas arbeiten: das ist sowieso die Schönste Art zu restaurieren. Ein wenig, wie wenn man Oliven erntet: einfach warten, bis sie runterfallen! Ist manchmal auch okay.
Naja. Immer geht das natürlich nicht, weil von allein macht sich ja doch Nichts. Und glaubt mir, ich kenne diese Phasen, an denen die Projekte hängen, nur zu gut und werde auch ab und an davon heimgesucht! Immer, wenn ich in einem solchen Motivationstief stecke, helfen mir Oldtimer- oder Custombike-Magazine. Wenn ich sehe, was andere Menschen aus ihren Moppeds machen, dann inspiriert mich das und ich finde neue Kraft, um meine eigenen Projekte voran zu treiben. Ganz zu schweigen von den Technik-Tipps. Überhaupt kann ich Euch nur raten, Euch den ein oder anderen Freund mit in Eure Projekte zu involvieren. Ich habe einen guten Freund, der seine Projekte vollkommen anders angeht, als ich. Die meiste Zeit streiten wir uns, aber das gemeinsame Schrauben würde ich nicht missen wollen, auch wenn sein Pragmatismus mich wirklich oft an den Rand des Wahnsinns treibt. An anderer Stelle erzähle ich Euch gerne mehr von meinem Buddy. Nun aber möchte ich Euch nur noch diesen einen Tipp geben: baut Euch ein Netzwerk auf! Ihr müsst nicht immer alles Wissen, aber irgendwen kennen, der es weiss oder es kann. Und glaubt mir, es gibt immer irgendwo einen, der irgendwas besonders gut kann.
Ich fasse nochmal kurz zusammen:
- auf jeden Fall als erstes darüber im Klaren sein, welche Art der Restauration Ihr für das aktuelle Projekt beabsichtigt
- Netzwerk immer weiter ausbauen
- bei Motivationsproblemen, einfach mal in ein Oldtimer-Magazin reinschauen!
Also, ab in die Garage oder Scheune und den 10er Ringmaul geschwungen! Nächstes Mal erzähle ich Euch, wie ich die Gabel der 50er aufgehübscht habe.